Donnerstag, 31. Januar 2013

Der Geiger


Mechtild Borrmann
Droemer Verlag

"Mai 1948, Moskau

Der Schlussakkord von Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur schwebte über die Köpfe der Menschen im Parkett, hinauf zu den Rängen, dehnte sich aus zu den Gästen auf den Balkonen und löste sich endlich in der hohen Kuppel des Konzertsaales auf. Sekundenlang verharrte das Publikum still, dann brauste tosender Applaus auf. Ilja ließ seine Geige sinken und verbeugte sich zusammen mit dem Dirigenten tief vor den jubelnden Menschen. Die Orchestermusiker erhoben sich von ihren Stühlen und verneigten sich ebenfalls.
Sechs Wochen lang hatte Ilja Wassiljewitsch Grenko in den Konzertsälen Europas gespielt, war auch dort gefeiert worden, aber hier, am Tschaikowsky-Konservatorium, wo er gelernt hatte und seine Lehrer in den ersten Reihen saßen und ihm applaudierten, erfüllte ihn die Anerkennung des Publikums mit besonderem Stolz. Eine letzte Verbeugung, ein letztes Mal zog er sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich über die Stirn. Dann verließ er den Konzertsaal."


Ungerechtigkeiten haben mich immer schon wütend gemacht und wenn man sie dann auch noch einfach geschehen lassen muß, weil es die Geschichte ist, dann wallt in mir eine tiefe, heiße Wut aus dem Bauch hoch. Leider passiert das immer wieder bei Geschichten, die in diktatorischen Staatssystem spielen.
So auch hier. Gerade noch ist Ilja ein gefeierter Geiger und im nächsten Augenblick wird er verhaftet und schließlich zu Arbeitslager verurteilt, obwohl es keine Gerichtsverhandlung gibt. Die Stradivari-Geige, sein Heiligtum, wird ihm abgenommen. Er wird sie nie wieder sehen.
Es ist Rußland zu Zeiten Stalins.
Iljas Frau Galina wird mit den beiden Söhnen aus Moskau verbannt in eine Einöde, wo sie schwere Arbeiten zu leisten hat. Mit einem Federstrich wird eine gutsituierte Familie auseinandergerissen.
Selbst 60 Jahre später haben diese Ereignisse noch Auswirkungen auf die Familie. Sascha Grenko, der Enkel von Ilja, lebt in Köln und er bekommt eine Nachricht seiner Schwester, die er seit Kindertagen nicht gesehen hat. Als er sie in München treffen will wird sie, vor seinen Augen, erschossen. Er wird verdächtigt und muß aus Deutschland fliehen. Sascha versucht in Rußland herauszufinden was das Alles mit der Stradivari zu tun hat.

Dieses Buch hat mich sehr berührt. Es erzählt die Familiengeschichte aus den drei Persepektiven, Ilja, Galina und Sascha.
Mechtild Borrmann hat eine klare, schnörkellose Sprache, die trotzdem alles bildhaft vor Augen führt. Man fühlt sich geradezu in die Geschichte hineingezogen.
Sie ist spannend, wie ein Krimi, und immer wieder überraschend mit neuen Wendungen.

Ich finde ein Buch das man gelesen haben muß!

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