Mechtild Borrmann
Droemer Verlag
"Mai 1948, Moskau
Der Schlussakkord von Tschaikowskys
Violinkonzert in D-Dur schwebte über die Köpfe der Menschen im
Parkett, hinauf zu den Rängen, dehnte sich aus zu den Gästen auf
den Balkonen und löste sich endlich in der hohen Kuppel des
Konzertsaales auf. Sekundenlang verharrte das Publikum still, dann
brauste tosender Applaus auf. Ilja ließ seine Geige sinken und
verbeugte sich zusammen mit dem Dirigenten tief vor den jubelnden
Menschen. Die Orchestermusiker erhoben sich von ihren Stühlen und
verneigten sich ebenfalls.
Sechs Wochen lang hatte Ilja
Wassiljewitsch Grenko in den Konzertsälen Europas gespielt, war auch
dort gefeiert worden, aber hier, am Tschaikowsky-Konservatorium, wo
er gelernt hatte und seine Lehrer in den ersten Reihen saßen und ihm
applaudierten, erfüllte ihn die Anerkennung des Publikums mit
besonderem Stolz. Eine letzte Verbeugung, ein letztes Mal zog er sein
Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich über die Stirn.
Dann verließ er den Konzertsaal."
Ungerechtigkeiten haben mich immer
schon wütend gemacht und wenn man sie dann auch noch einfach
geschehen lassen muß, weil es die Geschichte ist, dann wallt in mir
eine tiefe, heiße Wut aus dem Bauch hoch. Leider passiert das immer
wieder bei Geschichten, die in diktatorischen Staatssystem spielen.
So auch hier. Gerade noch ist Ilja ein
gefeierter Geiger und im nächsten Augenblick wird er verhaftet und
schließlich zu Arbeitslager verurteilt, obwohl es keine
Gerichtsverhandlung gibt. Die Stradivari-Geige, sein Heiligtum, wird
ihm abgenommen. Er wird sie nie wieder sehen.
Es ist Rußland zu Zeiten Stalins.
Iljas Frau Galina wird mit den beiden
Söhnen aus Moskau verbannt in eine Einöde, wo sie schwere Arbeiten
zu leisten hat. Mit einem Federstrich wird eine gutsituierte Familie
auseinandergerissen.
Selbst 60 Jahre später haben diese
Ereignisse noch Auswirkungen auf die Familie. Sascha Grenko, der
Enkel von Ilja, lebt in Köln und er bekommt eine Nachricht seiner
Schwester, die er seit Kindertagen nicht gesehen hat. Als er sie in
München treffen will wird sie, vor seinen Augen, erschossen. Er wird
verdächtigt und muß aus Deutschland fliehen. Sascha versucht in
Rußland herauszufinden was das Alles mit der Stradivari zu tun hat.
Dieses Buch hat mich sehr berührt. Es
erzählt die Familiengeschichte aus den drei Persepektiven, Ilja,
Galina und Sascha.
Mechtild Borrmann hat eine klare,
schnörkellose Sprache, die trotzdem alles bildhaft vor Augen führt.
Man fühlt sich geradezu in die Geschichte hineingezogen.
Sie ist spannend, wie ein Krimi, und
immer wieder überraschend mit neuen Wendungen.
Ich finde ein Buch das man gelesen haben muß!
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